Tierschutzprobleme bei der Jagd

Jagd beunruhigt alle Wildtiere
 
Die derzeitige Möglichkeit in Revieren ganzjährig zu jagen wirkt auf alle Wildtierarten beunruhigend, unabhängig davon, ob sie dem Jagdrecht unterliegen oder nicht. Vielfach belegt ist, dass in Folge dieser dauerhaften Beunruhigung Wildtiere ihr Verhalten hinsichtlich ihrer Raumnutzung oder Aktivitätsperiodik ändern. So ist zu beobachten, dass bspw. die ursprünglich tagaktiven Rehe ihre Aktivitäten in die Dämmerung und Nacht verlegen. Die damit einhergehende unnatürliche Scheu der Wildtiere hat auch zur Folge, dass sie für die Bevölkerung deutlich schwerer erlebbar sind (Nationalparkeffekt).
Zudem führt diese dauerhafte Beunruhigung der Tiere zu einem erhöhten Energieverbrauch, der gerade in der nahrungsarmen Winterzeit dazu führt, dass der Verbiss im Wald zunimmt. Dies bestätigen u.a. Untersuchungen des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinärmedizinische Universität Wien (2013), das deshalb empfiehlt die Jagd Ende Dezember zu beenden.
 
Liste der jagdbaren Tierarten
 
Die Überprüfung der Liste der jagdbaren Arten ist einer der zentralen Forderungen des bmt, denn jagdliche Eingriffe in Wildpopulationen umfassen das Töten von leid- und schmerzempfindlichen Säugetieren. Hier hat der Gesetzgeber u.a. im Tierschutzgesetz tierschutzrechtliche Grenzen gesetzt, die auch bei der Jagd zu beachten sind. Das Tierschutzgesetz steht unter dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechenden Leitgedanken, Tieren „nicht ohne vernünftigem Grund“ „vermeidbare, das „unerlässliche Maß“ übersteigende Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Die Rechtfertigung von Eingriffen in die Integrität erfordert somit eine zweistufige Prüfung:

1. Zunächst muss festgestellt werden, ob ein nachvollziehbarer, billigenswerter Zweck verfolgt wird, der grundsätzlich geeignet ist, die Zufügung von Schmerzen, Leiden oder Schäden zu begründen.

2. Es ist zu ermitteln, ob die drei Elemente des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nämlich Geeignetheit, Erforderlichkeit (Grundsatz des mildesten Mittels) und Verhältnismäßigkeit ieS (d.h. Übergewicht des Nutzens gegenüber dem Schaden) gewahrt sind.

So dürfte eine Tötung von Tierarten, die keine oder nur geringe Schäden anrichten – auch vor dem Hintergrund der Staatszielbestimmung Tierschutz im Jahr 2002 - unverhältnismäßig sein. Zu nennen sind beispielhaft die jagdbaren Arten Rabenkrähe, Elster, Möwen oder das gerade 10 cm große Mauswiesel, die nicht einmal sinnvoll verwertet werden können.
Zudem sollten Tierarten nicht dem Jagdrecht unterliegen, wenn…
- sie bereits ausgestorben sind oder nicht in Hessen vorkommen (z.B. Elch)
- für deren Bejagung keine Notwendigkeit besteht (keine Nutzung, kein Nachweis ökologischer oder gemeinwirtschaftlicher Schäden)
- diese selten vorkommen oder bedroht sind bzw. eine Bestandsgefährdung nicht ausgeschlossen ist (Rote Liste, FFH-RL Anh IV, EU-Vogelschutzrichtlinie), Bsp.: Feldhase
- eine Verwechslungsgefahr mit geschützten Arten besteht; so sollte bereits deshalb der Haustierabschuss unterbleiben, da Verwechslungen mit Wildkatze und Wolf nicht auszuschließen sind
- diese sich nur zeitweise, bspw. zur Brutzeit in Deutschland aufhalten
- die Jagdmethode erhebliches Tierleid bedingt (Bsp.: Fallenjagd, Vogeljagd mit Schrot)
- die Jagd nicht nachhaltig gestaltet werden kann
- diese nur deshalb bejagt werden, weil sie in eine vermeintliche Nahrungskonkurrenz mit dem Jagenden treten (Bsp: Marderartige)
 
Aus Sicht des bmt sollten folgende Tierodnungen/-gruppen gänzlich aus dem Jagdrecht genommen werden:

A.    Vögel
Abschüsse, insbesondere auf Vögel, stellen weitgehend unbekannte Eingriffe in die Sozial- und Selbstregulierungssysteme der Tiere dar. So ist es bspw. bei den Abschüssen von Rabenvögeln dem Zufall überlassen, ob es sich bei den getöteten Vögeln um „Revierbesitzer“ oder „Nichtrevierbesitzer“ handelt. Gerade aber dieses biologisch über lange Zeiträume etablierte System ist für die innerartliche Bestandskontrolle der Population maßgebend. Abgesehen davon, dass ohnehin wissenschaftlich fundierte Gründe fehlen, die die Jagd auf Rabenkrähe und die insektivor lebende Elster nachvollziehbar machen könnten, muss die derzeitige Jagd auf Rabenkrähen mit dem Ziel einer Bestandsminderung sogar als kontraproduktiv bezeichnet werden
 
Vogeljagd ist nicht zu rechtfertigen
 
- Für eine Bejagung fehlt in aller Regel ein naturschutzfachlicher Grund, bspw. eine notwendige Regulierung der Bestandsgröße, zumal die Bestände der meisten Vogelarten kaum ermittelbar sind
- Eine tierschutzgerechte Jagd auf Vögel (mittels Schrotschuss) ist mit dem Gebot der größtmöglichen Schmerzvermeidung („Randschrotproblematik“) unvereinbar
- Die meisten Vogelarten sind Zugvögel, die deshalb nicht nachhaltig bejagt werden können
- Bei bestimmten Arten fehlt ein nachvollziehbares und ernsthaftes jagdliches konsumtives Interesse (z.B. Möwen, Rabenvögel)

B.    Beutegreifer/Prädatoren
Beutegreifer übernehmen im Ökosystem eine wichtige regulatorische Funktion. Die Populationsgröße einer Art wird dabei im Wesentlichen von der Lebensraumkapazität bestimmt, die von der Qualität des Lebensraumes und dem Nahrungsangebot abhängt. Somit ist die Bejagung von Beutegreifern ein ungeeignetes Mittel, einer gefährdeten Tierart helfen zu wollen, zumal sie vom eigentlichen Problem der Verschlechterung der Lebensraumbedingungen (intensive Landbewirtschaftung, Versiegelung der Landschaft, etc.) ablenkt. Der bmt lehnt daher die Bejagung der Beutegreifer (sowie die Fallenjagd) unter dem Vorwand der Regulation ab.

C.    Wandernde Arten
Eine nachhaltige Jagd auf wandernde Arten ist stets als problematisch zu werten, da dies ein nach wissenschaftlichen Kriterien basierendes Monitoring der Population entlang der Wanderroute voraussetzen würde. Dieses findet jedoch idR nicht statt.

D.    Neozoen
Neozoa sind nicht-einheimische bzw. invasive Tiere bzw. Organismen, die seit Beginn der Neuzeit (symbolisch für die Intensivierung interkontinentalen Austauschs: 1492 – die Entdeckung Amerikas) beabsichtigt oder unabsichtlich unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in eine ihnen zuvor nicht zugängliche biogeographische Region gelangt sind und dort neue Populationen aufgebaut haben. Bislang sind rund 1500 Tierarten erfasst, die nach o.g. Definition ursprünglich in Deutschland nicht-heimisch waren.

Die Arten, die eine Gefahr für die Natur in ihrem neuen Siedlungsgebiet darstellen bzw. negative Auswirkungen auf sie haben, werden allgemein als invasive gebietsfremde Arten bezeichnet. Insbesondere der Umgang mit diesen Arten ist aus Sicht des Tierschutzes von besonderer Bedeutung, da es überwiegend um die Frage geht, ob eine Tötung dieser Tiere bis hin zu Ausrottungsstrategien notwendig, sinnvoll und ethisch verantwortbar ist.

Unbestritten ist, dass das künstliche Einbringen gebietsfremder Arten nach dem Vorsorgeprinzip generell verhindert werden muss. Zum einen ist oftmals nicht gesichert, ob die Tiere überhaupt eine realistische Überlebenschance haben. Zum anderen stellt das Einbringen dieser Arten immer einen Eingriff in das bestehende Ökosystem dar; die daraus resultierenden möglichen ökologischen, gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schäden sind nicht abschätzbar.

Eine pauschale Bejagung von Neozoen erscheint allerdings unverhältnismäßig. Eine subjektive Einteilung der Tiere in "willkommene Arten" und "Lästlinge" wäre auch im Sinne des ethisch motivierten Tierschutzes nicht zulässig.

Auch wenn der Aufwand groß erscheint, ist vielmehr eine fachliche Einzelprüfung im Rahmen eines naturschutzfachlich basierten Monitorings notwendig, um Auswirkungen und Verbreitung bereits etablierter Neozoen beurteilen zu können. Ein Töten von Neozoen wäre aus Sicht des Tierschutzes allenfalls dann zulässig, wenn es verhältnismäßig, geeignet und erforderlich ist („Mehr Schaden als Nutzen-Prinzip“); dies heißt u.a.:
- dass die Art nachweislich seltene oder gefährdete Arten oder Lebensräume bedroht oder besonders negative Auswirkungen auf den Naturhaushalt, die menschliche Gesundheit oder wirtschaftliche Aktivitäten hat. Bloße Vermutungen reichen hier nicht aus.
- dass das Töten nur als ultima ratio verstanden werden darf, d.h., dass zuvor alle zur Verfügung stehenden non-letalen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen
- dass die Tötungsmaßnahme „erfolgreich“ sein muss, d.h. auch einen definierten zeitlichen Abschluss findet. So ist die derzeitige intensive Bejagung von Waschbären bereits deshalb abzulehnen, weil sie die Verbreitung dieser Tierarten eher noch begünstigt, da die komplexen Sozialsysteme dieser Arten massiv gestört bzw. zerstört werden. Zudem ist die Neozoenproblematik national allein nicht lösbar und es sind grenzübergreifende Kooperationen gefragt.
 
Der bmt plädiert daher für die Herausnahme von Neozoen aus dem Jagdrecht. Mögliche negative Auswirkungen auf heimische Tierarten oder das Ökosystem lassen sich mittels naturschutzrechtlicher Ausnahmeregelungen zumeist besser begegnen und verfolgen.

E.    Haustiere
Hunde und Katzen sind keine jagdbaren Tiere des Jagdrechtes, dürfen aber im Rahmen des so genannten Jagdschutzes getötet werden. Auf der Streckenliste des Deutschen Jagdschutzverbandes sind erschossene Haustiere nicht aufgeführt. Nur in wenigen Bundesländern werden hierzu Statistiken geführt.

Hunde und Katzen gelten unter den Jägern als „Raubzeug“, das bekämpft und ausgemerzt werden muss. Diese „Erkenntnis“ findet noch in vielen Landesjagdgesetzen ihren Niederschlag. Das Bundesjagdgesetz schützt das Wild vor „wildernden“ Hunden, die ausführenden Landesgesetze regeln die Details. So dürfen im Jagdbezirk angetroffene „wildernde“ Hunde und Katzen von den Jagdausübungsberechtigten totgeschossen werden.

Da in Konfliktfällen mit streunenden Hunden und Katzen in Wald und Flur Möglichkeiten bestehen, das Problem ohne das Töten der Tiere zu klären, sollte der Haustierabschuss schnellstmöglich beendet werden.
 
Fütterung bestimmter Tierarten

Abzulehnen ist die derzeitige Möglichkeit der Fütterung des wiederkäuenden Schalenwildes in so genannten Notzeiten. Fütterungen sind aus wildbiologischer Sicht weder notwendig noch sinnvoll. Grundsätzlich ist zunächst einmal festzustellen, dass heimische Wildtierarten, wie alle Pflanzenfresser, an die periodischen, jahreszeitlichen Schwankungen in Mitteleuropa, in denen das Nahrungsangebot einmal höher und einmal niedriger ist, von durchschnittlicher Kondition gut angepasst sind. So verfügen beispielsweise Rehe im Winter und bei starker Kälte über entsprechende Anpassungsmechanismen, indem sie ihren Stoffwechsel herunterfahren und ihre Körpertemperatur absenken. Viele Wildtiere passen auch ihre Reproduktion an das Nahrungsverhältnis an. Je besser die Lebensgrundlagen in einem Gebiet, umso mehr Nachwuchs wird produziert. Ein regelmäßiges Zufüttern im Winter kann daher auch kontraproduktiv für die Bestandsentwicklung sein. Ein Beispiel sind die steigenden Wildschweinbestände, die u.a. auf den verstärkten Maisanbau, aber auch auf die regelmäßigen Fütterungen der Jäger zurückzuführen sind. Da die Population mit den üblichen Jagdmethoden kaum noch in den Griff zu kriegen ist, werden in manchen Bundesländern einige aus Tierschutzsicht umstrittene Maßnahmen wie der Saufang eingesetzt oder diskutiert.

Ohnehin ist die Festlegung auf bestimmte Wildarten bezüglich der Fütterung in Notzeiten als willkürlich anzusehen. Sofern man sich für eine derartige Fütterung mit dem Argument des Tierschutzes ausspricht, so müsste dies letztlich für alle Wildtiere gelten, ganz gleich ob Reh, Schwarzwild, Fuchs, Waschbär oder Greifvogel. Dies dürfte allerdings von weiten Teilen der Jägerschaft auf keine Akzeptanz stoßen.
 
Jagdzeiten
 
Notwendig wäre eine deutliche Verkürzung sowie Harmonisierung der Jagdzeiten. Aus wildbiologischer Sicht wäre eine allgemeine Jagdruhe von Januar bis September eines Jahres erforderlich. Dies sollte grundsätzlich auch für die bekanntermaßen sehr schwierige Bejagungssituation von Wildschweinen gelten, denn die von Wildschweinen ausgehenden Schäden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen steigen landesweit seit Jahren durch den überhöhten und stetig weiter anwachsenden Bestand an - trotz flächendeckender und fast ganzjähriger Bejagung. Die langfristigen ökologischen Auswirkungen von Wildschäden liegen vor allem in der Entmischung von Jungwuchs der natürlich vorkommenden Baumartenzusammensetzung und in der Beeinträchtigung der natürlichen Bodenvegetation (Kräuter, Gräser, Moose, Flechten, Pilze) durch selektiven Wildverbiss.
 
Jagdgesetzgebung in den Ländern
 
Das Bundesjagdgesetz (BJagdG) hat seit der Föderalismusreform 2006 seine gesetzliche Rahmenkompetenz verloren. Es ist nun ein der Abweichungsgesetzung der Länder unterliegendes Bundesgesetz der konkurrierenden Gesetzgebung. Die vorrangige Gesetzgebungskompetenz liegt nunmehr bei den Ländern in ihren jeweiligen Landesjagdgesetzen. Für die Tierschutzverbände ist nun deutlich schwieriger geworden, Verbesserungen zum Schutz der Tiere bundeseinheitlich zu erwirken. In einigen Bundesländern wie NRW oder Baden-Württemberg hat es jedoch dazu geführt, ihre Landesjagdgesetze zu modernisieren und Tierschutzaspekte deutlich stärker zu berücksichtigen.
 
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
 
Am 26.06.2012 entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, dass Grundstückseigentümer die Jagd auf ihrem Land nicht dulden müssen. Die Begründung: Dies sei eine unverhältnismäßige Belastung für all jene Menschen, die die Jagd aus ethischen Erwägungen ablehnten. Damit folgte der Gerichtshof seinen Schlussfolgerungen in zwei früheren Urteilen, die das Jagdrecht in Frankreich und Luxemburg betrafen. Dieses Urteil der Großen Kammer ist bindend, eine Berufung ist nicht mehr möglich. Das Urteil ist in Deutschland grundsätzlich anwendbar, in einigen Bundesländern gibt es in den Landesjagdgesetzen bereits entsprechende Regelungen.