Wenn die Zucht zur Qual wird

Atemnot, Taubheit, Kontrollverlust. Der Mensch formt die Tiere nach seinem Gutdünken. Bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Das kostet die Betroffenen nicht nur Gesundheit und Vitalität, sondern auch ihre Würde.
Einen umfassenden Überblicksartikel hierzu haben wir im „Recht der Tiere“, 2018, Heft 1 veröffentlicht.


Rechtliche Aspekte

-    Seit 1986 sind gemäß Tierschutzgesetz Qualzuchten untersagt. Der Paragraf 11b Tierschutzgesetz soll verhindern, dass Wirbeltiere gezüchtet oder durch biotechnische Verfahren verändert werden, wenn dies für die Nachkommen mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden ist. Der Gesetzestext erlaubt der Behörde in diesen Fällen auch, das Unfruchtbarmachen der Tiere anzuordnen.
-    Im Juli 2013 wurde der im Tierschutzgesetz formulierte Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Auftreten von Qualzuchtmerkmalen aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes neu definiert. Nunmehr muss es nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich sein, dass solche Schäden signifikant häufiger auftreten, als es zufällig zu erwarten wäre. Eine naheliegende, realistische Möglichkeit, dass es zu derartigen Schäden kommen kann, reiche dagegen für ein Verbot nicht aus.
-    Seit Juni 1999 gibt es zur Auslegung des § 11 b Tierschutzgesetz für die Vollzugsorgane eine Orientierungshilfe, das sogenannte „Qualzuchtgutachten“, ein Sachverständigengutachten im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Dieses ist inzwischen teilweise wissenschaftlich veraltet und behandelt zudem nur bestimmte Tierarten aus dem Heimtierbereich. Der komplette Bereich der Zierfischhaltung fehlt. Auch landwirtschaftliche Nutztiere werden hier nicht näher thematisiert, obwohl in der industriellen Tierhaltung mittlerweile überwiegend speziell gezüchtete Hochleistungsrassen eingesetzt werden.
-    Der tierschutzrechtliche Vollzug ist unzureichend. Obwohl zahlreiche Qualzuchten bei Heim- und Nutztieren dokumentiert sind, gab es zwischen 1986 und 2012 nur wenige Gerichtsentscheide mit Bezug auf § 11b Tierschutzgesetz. Positiv zu werten ist ein Verbot der Zucht von haarlosen Katzen durch das Verwaltungsgericht Berlin 2015. Derartige Verbote gelten aber zunächst nur für den jeweiligen Züchter und nicht unbedingt bundesweit für die gesamte Zucht von Tieren mit entsprechenden Merkmalen.

Eine Übersicht über problematische Zuchten finden Sie hier.


Forderungen des bmt

Kurzfristig
•    Überarbeitung des „Qualzuchtgutachtens“ an den derzeitigen wissenschaftlichen Sachstand und Berücksichtigung weiterer relevanter Tiergruppen
•    Erhebung und anschließende Veröffentlichung des Vollzugssachstandes zur Umsetzung des § 11b Tierschutzgesetz in den Ländern (u.a. Gerichtsverfahren, Urteile, Zuchtbeschränkungen, Zucht- und Ausstellungsverbote)
•    Verpflichtende Einbeziehung von Amtstierärzten in Körkommissionen, die über den Einsatz der Tiere in der Zucht entscheiden
•    Aufnahme eines Ausstellungsverbots von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen


Mittelfristig
•    Erarbeitung einer Rechtsverordnung, in der erblich bedingte Veränderungen und Verhaltensstörungen näher bestimmt werden und der das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien verbietet oder beschränkt.
•    Erarbeitung eines bundesweit gültigen Heimtierzuchtgesetzes bzw. Heimtierschutzgesetzes: Damit soll sichergestellt werden, dass die Ausrichtung der Zucht auf Tiergesundheit und tierschutzkonformes Verhalten anstatt auf kommerzielle Aspekte ausgerichtet ist. Dies beinhaltet eine Prüfung der Zuchttauglichkeit. Züchter müssen ihre Sachkunde und Fachkompetenz gegenüber der Behörde nachweisen. Sie müssen außerdem ein Zuchtbuch führen, das gegenüber der Behörde offenzulegen ist. Zudem ist die Anzahl der Tiere pro Betreuungsperson festzulegen.


Begleitet werden sollte dies mit folgenden Maßnahmen
•    Verbot des Internethandels mit lebenden Tieren
•    Verpflichtende Kennzeichnung und Registrierung von Hunden und Katzen