Zucht am Limit der Tiere

Obwohl Hühner durchaus 15 Jahre und älter werden können, werden sie schon im Alter von wenigen Wochen geschlachtet. In der intensiven Landwirtschaft dauert die Mast zwischen 34 und 46 Tagen, in der ökologischen Haltung etwa doppelt so lange. Die extrem kurze Mastzeit ist nur deshalb wirtschaftlich rentabel, da die Tiere zuchtbedingt in ihrem kurzen Leben meist ganz erheblich an Gewicht zulegen. Zumeist werden die sehr schnell wachsenden Ross- und Cobb-Küken verwendet, die täglich mehr als 55 Gramm zunehmen.

Brauchte 1950 ein Masthühnchen zur Erreichung seines Schlachtgewichtes von 1.500 Gramm noch vier Monate, wird dieses Gewicht heute in bereits 30 Tagen erreicht. Gleichzeitig wurde durch Zucht die Futterverwertung erheblich gesteigert. Und genetisch verankert, dass der Brustmuskel besonders rasch wächst. Der hohe Brustmuskelanteil verhindert, dass die Federn die Brust komplett schützend abdecken und verlagert den Schwerpunkt der Tiere nach vorne. Die einseitige Selektion auf diese ausschließlich wirtschaftlich orientierten Zuchtziele setzt eine enorme Stoffwechselleistung voraus, stets am körperlichen Limit der Tiere, teils sogar darüber hinaus. Sie ist eine der Kernursachen für verschiedene Skeletterkrankungen und Stoffwechselstörungen, die gerade gegen Ende der Mast zu hohen Verlusten führen. Etwa fünf Prozent sterben jährlich bereits vor ihrer Schlachtung einen leidvollen Tod. Das sind fast 32 Millionen Masthühner, die nichtmals die von der Industrie vorgesehene, ohnehin geringe Lebenserwartung erreichen und als üblicher Verlust verbucht werden. Weitere 6,5 Millionen werden am Schlachtband verworfen, da sie aufgrund von infizierten Brustbeulen oder wegen Bauchfellentzündung genussuntauglich sind.

Einige Wissenschaftler werten diese Hochleistungszucht deshalb als Qualzucht, welche tierschutzrechtlich eigentlich verboten ist. Dennoch stellen diese extremen Zuchtformen den üblichen Besatz deutscher Ställe dar. Die derzeit übliche Haltung in geschlossenen Ställen werten sogar international anerkannte Studien als unter Tierschutzgesichtspunkten ungenügend. Nach Einstufung des „Nationalen Bewertungsrahmens Tierhaltungsverfahren“ ist das Tierverhalten nur „stark eingeschränkt“ möglich und für die Tiergesundheit bestehen „erhöhte Risiken“. Dabei beruft sich das Expertenteam unter anderem auf die Berichte des Wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz (AHAW) und der EFSA, der Behörde für Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission. Diese Berichte weisen auf folgende Tierschutzprobleme hin: Fußballenerkrankungen, Hitzestress, Atemwegs- und stoffwechselbezogene Erkrankungen. Außerdem Beinprobleme, Inaktivität der Tiere, Schäden und Stress beim Fang. Darüber hinaus leiden die Mastelterntiere unter chronischem Hunger. Denn trotz genetischer Ausrichtung auf einen  Hochleistungsstoffwechsel werden sie im Gegensatz zu den eigentlichen Masttieren zu Zuchtzwecken nur stark reglementiert gefüttert. Auch die körperliche Unversehrtheit wird angetastet: durch schmerzhafte Amputation des letzten krallentragenden Zehengliedes
bei Zuchthähnen und das Schnabelkürzen bei den Mastelterntieren.