bmt kritisiert - Tierversuchsrecht in Deutschland auch weiterhin unzureichend

Pressemitteilung bmt
28.04.2020

Deutschland zeigt sich weiterhin sorglos, was die korrekte Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie angeht. So sollen Tiere entgegen dem Willen der EU weiterhin ohne Begrenzung Schmerzen und Leiden ausgesetzt sein dürfen und Angst nicht als Leidensfaktor zählen. Das lässt sich aus der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der tierschutzpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, und weiterer Abgeordneter schließen. Weiter werden tierversuchsfreie Methoden unzureichend gefördert und kaum ein Tierversuch abgelehnt.

Die Anfragesteller wollten von der Bundesregierung unter anderem wissen, ob Verbesserungen an der Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie dahingehend beabsichtigt sind, dass eine Obergrenze von Schmerzen und Leiden eingeführt und Angst in das Konzept von Schmerzen und Leiden eingebunden wird sowie Tierversuche zur Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung der Genehmigung bedürfen, anstatt den Behörden lediglich angezeigt zu werden. Diese zentralen Punkte sind laut EU-Richtlinie vorgesehen.

In ihrer Antwort bezieht sich die Bundesregierung auf die jüngst vorgelegten Entwürfe zur Änderung des nationalen Tierversuchsrechts. Darin allerdings ist, wenn überhaupt, eine fragmentarische Nachbesserung vorgesehen. Der bmt hatte gemeinsam mit dem Bündnis Tierschutz* in seiner Stellungnahme unter anderem diese Punkte als nach wie vor richtlinienwidrig kritisiert und die Bundesregierung zur Korrektur aufgefordert. Hintergrund ist, dass die Europäische Kommission zahlreiche Mängel rügt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet hat.

Auch in ihrem Engagement zur Etablierung von tierversuchsfreien Alternativmethoden bleibt die Bundesregierung widersprüchlich. So räumt die Bundesregierung in ihrer Antwort zwar ein, dass die Entwicklung und Akzeptanz von Alternativmethoden sich weniger an der Vergleichbarkeit der Ergebnisse zum Tierversuch als vielmehr an der Fähigkeit der Methode, humanrelevante Prozesse ausreichend präzise darzustellen, orientieren sollte. Trotzdem wurden in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren Verfahren, die das Tierleid reduzieren oder Tierversuche ersetzen sollen, mit nur insgesamt 190 Millionen Euro gefördert. „Pro Jahr entspricht das nur knapp 5 Millionen Euro, was gegenüber den Milliarden an öffentlichen Geldern, die jährlich in Tierversuche investiert werden, das Politikversagen offenlegt“, so Karsten Plücker, Vorsitzender des bmt.

Was die Ablehnung von Tierversuchsanträgen durch die zuständigen Behörden betrifft, geht aus der Antwort der Bundesregierung hervor, dass 2018 von den Bundesländern insgesamt lediglich 5 Anträge nicht genehmigt wurden. Dies deckt sich laut bmt mit einer Auswertung, die in den vergangenen Jahren eine Ablehnungsquote von Tierversuchen von deutlich unter 1 % belegt. „Angesichts der wissenschaftlich belegten Unzuverlässigkeit des Tierversuchs und der Tatsache, dass zahlreiche hochbelastende Tierversuche stattfinden, zeigt diese Statistik, dass die ethischen Sicherungssysteme im Rahmen der Tierversuchsgenehmigung weitgehend ins Leere laufen“, so Plücker.

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Jahr 2017 EU-weit rund 12,6 Millionen Tiere gezüchtet, aber nicht in Versuchsvorhaben eingesetzt und getötet. Dabei geht mit 3,9 Millionen der größte Anteil der „Überschusstiere“ auf das Konto deutscher Tierversuchslabore. Mäuse, Fische und Ratten machen dabei den Großteil der Tiere aus. Auch fast 75.000 Meerschweinchen, rund 65.000 Kaninchen und 230 Hunde wurden als „Überschuss“ getötet. Hochrechnungen, die zudem die auf „Vorrat“ gehaltenen Tiere mit einbeziehen, gehen von jährlich mehr als 7 Millionen Tieropfern aus, die bei Genmanipulationen als „Ausschuss“ geboren und solchen, die von den Experimentatoren auf „Vorrat“ gehalten oder mangels „Bedarf“ getötet werden.

Der bmt kritisiert, dass die Bundesregierung nur marginale Handlungsbereitschaft zeigt, wenn es um die Verbesserung im Sinne des Tierschutzes geht. Hinsichtlich der Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie fordert der bmt zumindest eine vollständige und korrekte Umsetzung der von der EU geforderten Maßgaben.

* Bündnisses für Tierschutzpolitik: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz, Bundesverband Tierschutz, Bund gegen Missbrauch der Tiere, Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner, PROVIEH

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