Vertrauen ist weg, Kontrolle wäre besser

Der 24. April ist der "Internationale Tag zur Abschaffung der Tierversuche".

In Berliner Laboren litten im Jahr 2020 laut offizieller Statistik über 145.000 Versuchstiere. (1) Hinzu kommen sogenannte Ausschusstiere, die zwar gezüchtet, aber in keinem Versuch verwendet wurden. Diese wurden für Deutschland erstmals im Jahr 2021 statistisch erfasst: Zusätzlich zu den rund 2,5 Mio. Versuchstieren wurden 2,55 Mio. Ausschusstiere gezählt. (2) In der EU-weiten Statistik aus dem Jahr 2017 kommen zu 9,4 Mio. Versuchstieren (3) weitere 12,6 Mio. Ausschusstiere (4). Folglich dürfte die Zahl der tatsächlich getöteten Tiere in Berliner Versuchslaboren über 300.000 Tiere betragen.

Die Kritik an Tierversuchen wird sowohl in Öffentlichkeit als auch in der Wissenschaft immer lauter. Zeitgleich versuchen die mit entsprechenden Versuchen befassten Forscherinnen und Forscher zu beruhigen und verweisen darauf, dass Tierversuche dem Tierschutzgesetz unterliegen. §16 Tierschutzgesetz besagt, dass Tierversuchslabore „regelmäßig und in angemessenem Umfang kontrolliert” werden. (5)

In Berlin hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) als zuständige Behörde zuletzt im Schnitt jährlich 17 Kontrollen durchgeführt. (6) Mehr als 90 % der Kontrollen waren im Vorfeld angemeldet worden. „Es ist offensichtlich, dass diese Kontrollen bei 300.000 Tieren und ca. 200 genehmigten Tierversuchen pro Jahr völlig unzureichend sind,” urteilt Christian Ott von der Berliner Geschäftsstelle des bmt e.V..

Obwohl fast alle Kontrollen vorab angemeldet waren und die Labore deshalb Gelegenheit gehabt hätten, sich auf den Besuch des LAGeSo vorzubereiten, führt die Mängelliste dieser Kontrollen alle nur erdenklichen Verstöße auf: Durchgeführte Tierversuche wichen vom genehmigten Versuch ab. Die Überwachung der Versuchstiere war nicht ausreichend geregelt. Die Überwachung der Versuchstiere wies Lücken auf. Es gab kein klar definiertes Operationsprotokoll. Es fehlten Aufzeichnungen zu Tierversuchen. Versuchstiere wurden in nicht zugelassenen Räumen gehalten. Die Käfige der Versuchstiere entsprachen nicht den Vorgaben. Sozial lebende Tiere wurden ohne Genehmigung in Einzelkäfigen gehalten. Tierversuche wurden ohne Genehmigung durchgeführt. Personal war nicht ausreichend qualifiziert. Tiere wurden in ungeeigneten Behältnissen transportiert.

Das Tierschutzgesetz regelt in §17 und §18 die Straf- und Bußgeldvorschriften, die unter anderem für das Töten eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund eine Geldstraße oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre vorsieht. Daneben gilt es als Ordnungswidrigkeit, wenn Versuche an Wirbeltieren ohne Genehmigung durchgeführt werden oder „einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt” werden.

Im Fall der Kontrollen in Berlin beschränkte sich das LAGeSo jedoch in den meisten Fällen auf eine Belehrung und eine Anordnung, die Missstände zu korrigieren. In nur 10 Fällen wurden Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeführt, wovon wiederum 2 eingestellt wurden und 7 mit einer Verwarnung endeten.

So schockierend die unzureichende Anzahl an Kontrollen, die lange Liste der Verstöße und die lasche Ahndung der Verstöße in Berlin auch ist, sie fügt sich in eine lange Chronik von eklatanten Tierversuchsskandalen ein, die kaum bzw. völlig unzureichende Konsequenzen hatten. Im Jahr 2020 wurde beispielsweise nachgewiesen, dass zehn Affen nach Tierversuchen illegal getötet worden waren. Das Verfahren wurde mit einer Geldstrafe von 3.000 € eingestellt. (7) Im Jahr 2019 wurden 76 Mäuse in einem illegal verlängerten Krebsversuch erheblichen Schmerzen und Leiden ausgesetzt. Zwei Forschende wurden mit einer Geldstrafe von einigen Hundert Euro bestraft. (8) Selbst der international bekannt gewordene Skandal um die Affenversuche im Max-Planck-Institut in Tübingen endete letztlich mit nichts weiter als ein paar Geldstrafen für einzelne Mitarbeiter:innen. (9)

Tierversuche stehen stärker denn je in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft in der Kritik. Leider fehlt auch der politische Wille zur Veränderung. In Berlin bahnt sich eine schwarz-rote Koalition an. Im Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen SPD und CDU findet sich der Begriff Tierversuch nicht. Das ist bezeichnend und lässt kaum hoffen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen der Tierversuchslabore ihrem Anspruch nach Regelmäßigkeit und Angemessenheit gerecht werden.
Für die mehreren hunderttausend Tiere, die jährlich in Berliner Labors leiden, wird sich in dieser Hinsicht in den nächsten Jahren voraussichtlich nichts ändern.